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Karriere Karrierewege

Deutsche Firmen suchen zu wenig Führungsnachwuchs

Wirtschaftsredakteur
Die Suche nach den künftigen Führungskräften ist keine leichte Aufgabe Die Suche nach den künftigen Führungskräften ist keine leichte Aufgabe
Die Suche nach den künftigen Führungskräften ist keine leichte Aufgabe
Quelle: Getty Images/Vetta
Talentmanagement wird oft sträflich vernachlässigt. Nur rund ein Drittel der Firmenleitungen hierzulande hält Führungskräfteentwicklung für wichtig. Deutschland hat den Anschluss verloren.

Worum geht es

Talentsuche in der eigenen Firma sollte eigentlich eine der wichtigsten Aufgaben für Personaler sein. Stimmt aber offensichtlich nicht, denn nur zwölf Prozent der deutschen Unternehmen finden, dass der eigene Nachwuchs den Bedarf an Führungskräften deckt. Immerhin wird es von rund 32 Prozent der Firmenleitungen erkannt, dass die Führungskräfteentwicklung sehr wichtig ist. Aber im internationalen Vergleich schneidet Deutschland in diesen Fragen sehr schlecht ab.

Die USA und Kanada sind bei diesem Thema Vorreiter. Dort betrachten rund 55 Prozent die Führungskräfteentwicklung als vorrangige Maßnahme im Talentmanagement. Nicht nur Deutschland, auch andere europäischen Länder sind abgeschlagen.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Umfrage der Führungsexperten von Right Management, einer Tochter des international agierenden Personaldienstleisters Manpower Group. 2200 Geschäftsführer und Personalleiter in Unternehmen aus 13 Ländern wurden befragt. Davon kamen rund 150 aus Deutschland.

Jobrotation gehört dazu

Tiemo Kracht, Geschäftsführender Partner von Kienbaum Executive Consultants mit Sitz in Hamburg, überrascht der deutliche Unterschied zu den USA und Kanada nicht: „Dort gehört die Jobration innerhalb des Unternehmens dazu. Wenn die Mitarbeiter breit qualifiziert werden, ist das auch eine gute Vorbereitung für den Aufstieg in Führungspositionen.“

Im Gegensatz dazu sei der Karriereweg in Deutschland noch immer zu stark „versäult“. „Hier entscheidet die Ohrmarke, die dem Studienabsolventen beim Einstieg in das Unternehmen verpasst wurde, wie der weitere Karriereweg aussieht“, so Kracht. „Einmal Controller, immer Controller“.

Dagegen sei es in den USA normal, dass etwa ein Harvard-Absolvent in einer Bank vom Backoffice bis zum Investmentbanking verschiedene Stationen durchlaufe und dort auch Verantwortung übernehme – um sich für die Chefetage zu empfehlen.

Es komme auch hier darauf an, dass die Unternehmen bereit seien, heterogene Profile zur Förderung der generellen Management-Kompetenz im Unternehmen zuzulassen. Dazu gehöre es, dass sich Experten auch neuen Aufgabenstellungen zuwenden dürfen. „Der Sprung ins kalte Wasser muss möglich sein - und die Bereitschaft, Fehler zu akzeptieren“, sagt der Kienbaum-Experte.

Seine Empfehlung: „Wer seine fachliche Komfortzone nicht beizeiten verlässt, wird sich unter Umständen in einer Sackgasse wiederfinden und in seiner beruflichen Entfaltung in Richtung erweiterter Führung stark begrenzt sein.“

Die Länder, in denen es Unternehmen laut Studie von Right Management am leichtesten fällt, Führungskräfte aus den eigenen Reihen zu rekrutieren, sind Japan, Brasilien und Norwegen. Aber auch dort ist jeweils nur knapp ein Viertel mit der Führungskräfte-Pipeline zufrieden.

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Generell falle auf, dass dem Aufspüren von Toptalenten in Ländern wie USA, Großbritannien, Japan und Indien deutlich mehr Bedeutung beigemessen werde, so Rüdiger Schäfer, Deutschlandchef von Right Management. Dort liege der Anteil der Firmen, bei denen der Führungskräftenachwuchs zur Chefsache erklärt wurde, jeweils deutlich über 50 Prozent. „Deutsche Unternehmen sind bei der Personalentwicklung häufig zu passiv“, sagt Schäfer.

Klagen, aber nicht handeln

„Sie klagen einerseits über Fachkräftemangel – tun aber wenig dafür, die Mitarbeiter in den eigenen Reihen zu Führungskräften zu entwickeln. Dabei ist dies der leichteste Weg, loyale, engagierte und kompetente Manager von morgen zu rekrutieren“, so Schäfer weiter Die Auswertung der Umfrage zeige darüber hinaus, dass von der Talententwicklung in Unternehmen nicht zwangsläufig das ganze Team profitiere.

Denn ein Viertel aller Personalentscheider gibt demnach an, zunächst einzelne Leistungsträger zu identifizieren und diesen dann exklusiv Entwicklungsmaßnahmen anzubieten. 37 Prozent sagen dagegen, dass sie allen Interessierten entsprechende Möglichkeiten bieten. Ebenso viele sagen, dass sie uneingeschränkt die Fähigkeiten aller Mitarbeiter weiterentwickeln möchten.

In allen Ländern waren es aber nur 40 Prozent der Befragten, die angaben, dass die Geschäftsführung den Zusammenhang zwischen Investitionen in Talentmanagement und deren Auswirkung auf den Geschäftserfolg erkannt haben. „Talente zu identifizieren und gezielt zu fördern, ist wichtig“, sagt Schäfer.

„Trotzdem sollten Angebote der Weiterentwicklung grundsätzlich jedem offenstehen, sonst bleiben versteckte Potenziale ungenutzt. Es bleiben etwa Mitarbeiter außen vor, die von ihren direkten Vorgesetzten ausgebremst werden. Und wer sich übergangen fühlt, wandert schnell zur Konkurrenz ab.“

Dass die deutschen Firmen das Chefproblem dringend in den Griff bekommen sollten, mahnt auch Tiemo Kracht an. Denn in den kommenden zehn Jahren würden viele Führungskräfte aus der Baby-Boomer-Generation in Rente gehen. Gleichzeitig werde auch die Zahl der Hochschulabsolventen zurückgehen. „Der Bedarf an neuen Köpfen wird also genau dann sprunghaft zunehmen, wenn die Anzahl der Kandidaten abnimmt.“

Ein neuer Managertypus

Für die Kandidaten eröffne das aber zugleich ideale Aufstiegsmöglichkeiten. „Eine moderne Führungskraft kann sich vom operativen Geschäft über das strategische Wirken zu einem Top-Manager entwickeln, wenn sie dieses will und darauf hinarbeitet.“ Es komme aber darauf an, dass die Firmen diese Entwicklung förderten – eine Wahl hätten sie ohnehin nicht, wenn sie künftig für angehende Führungskräfte attraktiv bleiben wollten.

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Ein neuer Managertypus sei gefragt. Betont werde künftig eine General-Management-Kompetenz in Kombination mit einer hohen Sozialkompetenz und interkultureller Verwendbarkeit.

Denn die Internationalisierung im Mittelstand erfordere auch eine Internationalität des Personals. „Es ist eine der Herausforderungen für die künftigen Chefs, dass sie stark heterogene Belegschaften an unterschiedlichen Standorten führen und motivieren und sie hinter gemeinsamen Zielen versammeln können“, so der Personalexperte.

Stabspositionen könnten ein Sprungbrett sein von der Fachlaufbahn über die kaufmännische Leitung, als Finanz- oder Vertriebsleiter, über die Geschäftsführung in einem Tochterunternehmen bis in die Unternehmensführung. „Allerdings nicht in einer versäulten Fachkarriere“, sagt Kracht. „Aber eine Karriereleiter ist nicht einfach da, jeder muss an ihr bauen, Sprosse für Sprosse.“

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