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Karriere Feedback geben

Ehrliche Kritik am Chef schützt die Firma vor Fehlern

Für Vorgesetzte kann die ehrliche Meinung ihrer Mitarbeiter wertvoll sein. Sie sollten auch zuhören, wenn unbequeme Kritik geäußert wird Für Vorgesetzte kann die ehrliche Meinung ihrer Mitarbeiter wertvoll sein. Sie sollten auch zuhören, wenn unbequeme Kritik geäußert wird
Für Vorgesetzte kann die ehrliche Meinung ihrer Mitarbeiter wertvoll sein. Sie sollten auch zuhören, wenn unbequeme Kritik geäußert wird
Quelle: Getty Images
Die Meinung der Mitarbeiter kann für ein Unternehmen bares Geld wert sein – etwa, wenn Kritik den Vorgesetzten vor falschen Entscheidungen bewahrt. Wie man als Chef ehrliches Feedback bekommt.

Wenn jemand zum Chef aufsteigt, kann es um ihn herum ziemlich einsam werden. Denn je höher jemand auf der Karriereleiter kommt und je stärker seine oder ihre Macht wird, desto weniger traut sich die Umgebung in der Regel noch, diesem Vorgesetzten offen die Meinung zu sagen.

In den USA nennt man das die „CEO disease“ – die „Geschäftsführer-Krankheit“: eine Beschreibung des Phänomens, dass Top-Manager in ihrer isolierten Position Gefahr laufen, ein völlig falsches Bild von ihrer eigenen Leistung, von ihrem Kommunikationsverhalten und von ihrer Wirkung auf ihre Mitarbeiter zu entwickeln.

Sie neigen zur Selbstüberschätzung – auch weil ihnen ein ehrliches Feedback als Korrektiv fehlt. Betroffen ist allerdings nicht nur die Spitzenebene, das Problem setzt schon im Mittelmanagement ein.

Feedback kann vor Fehlentwicklungen bewahren

Wie weit Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinanderklaffen können, zeigt eine kleine, nicht repräsentative Umfrage des Instituts für Konfliktmanagement und Führungskommunikation (IKuF) in Köln, für die etwa 160 Angestellte mehrerer Unternehmen und ihre Vorgesetzten befragt wurden.

Mehr als drei Viertel der teilnehmenden Führungskräfte (77 Prozent) glaubten, dass ihre Fähigkeit, konstruktiv mit den Mitarbeitern zu kommunizieren, die Note „gut“ oder „sehr gut“ verdient habe; etwa jeder fünfte Chef stufte sich bei einem „befriedigend“ ein. Deutlich kritischer sehen dagegen Mitarbeiter ihre Chefs: Fast jeder vierte Vorgesetzte bekam von ihnen nur die Note vier oder schlechter.

Für Unternehmen kann die Kluft zwischen Chef und Mitarbeitern ernste Folgen haben. „Je weiter Sie sich abkoppeln von der nächsten Arbeitsebene, umso eher passiert es Ihnen, dass Sie in gravierende Fehleinschätzungen rattern, ohne es überhaupt zu merken“, sagt Michael Paschen, Geschäftsführer des Personalberatungsunternehmens Profil M aus Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen.

„Die Mitarbeiter haben eine andere Erfahrungswelt. Wenn Sie sich kein Feedback einholen, berauben Sie sich der Chance, vor Fehlentwicklungen gewarnt zu werden.“

„Argumentiert mal mit aller Kraft gegen meine Idee“

Wie aber bringen Vorgesetzte ihre Mitarbeiter dazu, ihnen offen zu sagen, ob eine neue Strategie Tücken hat oder welche Muster sich im Alltagstrott eingeschlichen haben, die die Entwicklung des Unternehmens hemmen?

„Den ganz aufgeklärten Chef erkennt man daran, dass er seinen Mitarbeitern sagt: Ich habe eine Idee, jetzt argumentiert mal mit aller Kraft dagegen“, sagt Paschen. Ein solch offensives Vorgehen setzt allerdings einen Umgang miteinander voraus, in dem Kritikfähigkeit auch wirklich gelebt wird.

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Genau hieran hapert es aber offenbar in vielen Unternehmen, wie eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des Assessment-Spezialisten Metaberatung zeigt. Von 1100 befragten Arbeitnehmern sagten 58 Prozent, dass sie zwar regelmäßige Feedback-Gespräche und Zielvereinbarungen mit dem Chef für wichtig hielten.

Zugleich empfanden aber 55 Prozent die Beurteilung durch ihren Chef als Fehleinschätzung, die ihrer tatsächlichen Leistung nicht gerecht werde. Schlimmer noch: 61 Prozent hatten den Eindruck, dass ihre Vorgesetzten die jährlichen Feedback-Gespräche als reines Pflichtprogramm betrachteten.

47 Prozent bemängelten die Unverbindlichkeit der Gespräche und erklärten, dass die Treffen zu nichts geführt hätten. Vielleicht auch deshalb wünschen sich vier von fünf Arbeitnehmern (79 Prozent) inzwischen, dass sie in Feedbackgesprächen auch die Leistung des Chefs beurteilen dürfen.

Vorgesetzte sollten Meinung der Mitarbeiter einholen

Institutionalisierte Feedback-Gespräche, die die Geschäftsleitung ihren Managern und deren Mitarbeitern vorschreibt, bringen gar nichts, wenn den betroffenen Vorgesetzten die Meinung ihres Teams im Grunde herzlich egal ist.

„Regelmäßiges Feedback zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ist wichtig, um gute Beziehungen im Unternehmen zu etablieren“, sagt Kommunikationstrainer Timo Müller vom IKuF in Köln. „Andererseits ist ein wertschätzendes Miteinander aber Voraussetzung dafür, dass Chef und Mitarbeiter konstruktives Feedback vom anderen bekommen.“

Ganz praktisch heißt das, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeitern signalisieren sollten, dass ihre Meinung gefragt ist – selbst wenn die nicht immer bequem ist. „Als Chef müssen Sie Ihre Bestrafungsmechanismen ändern“, rät Michael Paschen.

„Bestrafen sollte man nur ausbleibende Leistungen, nicht abweichende Meinungen.“ Vorgesetzte sollten ihre Mitarbeiter auch aktiv auffordern, ihre Sicht der Dinge zu schildern.

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Die Entscheidung bleibe am Ende natürlich trotzdem immer beim Chef: „Indem ich mir die Argumente anhöre, gebe ich ja nicht das Versprechen ab, mich an diese zu halten“, sagt Paschen. Falls allerdings die Vorschläge der Mitarbeiter nicht berücksichtigt werden, sollte die Führungskraft ihre Entscheidung erläutern.

Große Unternehmen nutzen 360-Grad-Feedbacks

Vor allem in großen Unternehmen erhalten Führungskräfte oft in 360-Grad-Feedbacks Rückmeldung über ihre Arbeit. Dabei wird die Führungskraft in einem festgelegten, betreuten Procedere von allen Seiten beurteilt: von ihrem eigenen Vorgesetzten, von Kollegen der gleichen Hierarchieebene, manchmal von Kunden, immer aber auch von den eigenen Mitarbeitern.

Die Fragebögen werden von der Personalstelle oder externen Beratern anonymisiert ausgewertet und mit der bewerteten Führungskraft besprochen. Je unklarer oder brisanter das Ergebnis, desto eher ist eine Aussprache in einem Workshop nötig, in dem Chef und Mitarbeiter unter Anleitung eines Moderators die kritischen Punkte besprechen.

Zwei Kardinalfehler können Chefs beim Einholen von Feedback machen, warnt Managementberater Paschen: Erstens Anonymität in der Umfrage zu garantieren, diese dann aber zu verletzen.

Und zweitens sich Feedback einzuholen, die Meinungen und Wahrnehmungen der Mitarbeiter hinterher aber nicht zu beachten. Wer einen Feedback-Prozess starte, müsse ihn auch zu Ende bringen, sonst verbrenne sich das Engagement seiner Mitarbeiter. In beiden Punkten dürfe es „nicht zu den kleinsten Regelverletzungen kommen“, betont Paschen.

Wer ernsthaft an der Meinung seines Umfelds interessiert ist, wird das aber ohnehin berücksichtigen. Im Endeffekt gehe es immer um die Kultur, die jede einzelne Führungskraft schaffe.

„Je mehr der Chef die Attitüde hat, der Gast darf seine Suppe nicht kritisieren, und je größer sein Glaube an die eigene Überlegenheit ist, desto weniger Feedback wird er bekommen“, sagt Paschen. „Je selbstverständlicher Sie aber Kritikfähigkeit leben, umso interessantere Dinge werden Sie von Ihren Mitarbeitern zu hören bekommen.“

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