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Betriebsklima auf Speed Begeistert euch jetzt endlich!

Super, wenn der Chef seine Mitarbeiter begeistern will. Nur: Ist die Stimmung doch mal mies, zweifelt er nicht an seinen eigenen mickrigen Mitteln. Schuld haben dann die Mitarbeiter, die einfach "nicht begeisterungsfähig" sind.
Typisch Büro: Und alle so "Yeah!"

Typisch Büro: Und alle so "Yeah!"

Foto: Corbis
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Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch "Ich will mich aber aufregen!". Autor Matthias Nöllke (Jahrgang 1962) ist Vortragsredner, Journalist und schreibt Sachbücher, zum Beispiel zur Frage, was sich Manager von der Natur abgucken können ("Von Bienen und Leitwölfen").

Da hat dein Chef an einem Führungskräfteseminar teilgenommen oder einen Artikel im manager magazin gelesen. Und plötzlich redet er davon, dass er seine Mitarbeiter "begeistern" will. Das klingt ja zunächst mal ganz sympathisch. Besser jedenfalls als Mitarbeiter ausquetschen, demütigen und in den Burn-out treiben, wie es die anderen Führungskräfte machen.

Doch bei näherem Hinsehen läuft die Sache so ziemlich auf das Gleiche hinaus. Nur dass die Chefs, die ihre Mitarbeiter "begeistern" wollen, davon überzeugt sind, dass sie die Allergrößten sind und eigentlich auf die Titelseite vom manager magazin gehören. Denn letztlich geht es wieder mal um sie selbst. Und was sie unter Begeisterung verstehen, das ist nicht unbedingt das, was wir erwarten, wenn wir hören, dass uns jemand begeistern will.

Du denkst vielleicht an ein überschäumendes Glücksgefühl, an einen rauschartigen Zustand, an Feierei, überraschende Geschenke, Geldregen, an hemmungslosen Sex, alkoholische Getränke und dröhnenden Rock'n'Roll. Also so ziemlich das Gegenteil von dem, was uns so im Arbeitsalltag erwartet. Und daran soll sich auch nichts ändern. Denn dein Chef will dich gar nicht mit Alkohol, Sex oder Rock'n'Roll zudröhnen. Vielmehr ist er der Ansicht: Die einzige Droge, die seine Leute in der gewünschten Art und Weise begeistern kann, ist er selbst.

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Und das funktioniert dann so: Sobald dein Chef irgendwo auftaucht, sollen alle Anwesenden vor Freude überschnappen. Das ist die neue Arbeitsteilung: Die einen jubeln, der andere lässt sich bejubeln. Klares Zeichen, dass ihr stramm auf Erfolgskurs segelt.

Ist die Stimmung mies, dann zweifelt dein Chef nicht etwa daran, ob er wirklich eine so mitreißende Persönlichkeit ist. Sondern die Mitarbeiter sind schuld, diese trüben Tassen. Sie sind einfach nicht "begeisterungsfähig". Und begeisterungsfähig muss man heute sein, sonst können wir gleich einpacken, im Wettbewerb gegen diese stets gut gelaunten Amerikaner, Chinesen und Inder.

Die Kunden unterstellen dir, dass du lügst. Das stimmt ja auch.

Du musst jetzt nicht nur deine Arbeit gut machen, sondern das Ganze auch noch mit besinnungsloser Begeisterung tun. Die normale Arschkriecherei reicht nicht mehr. Du musst jetzt auch noch den Anschein erwecken, als würde dich das Ganze glücklich machen.

Schlimmer kann es nur noch kommen, wenn dein Chef zusätzlich noch ein weiteres Ziel ausgibt: Die Kunden müssen ebenfalls begeistert werden. Und das darfst du dann übernehmen: verwöhnte, genervte, bösartige oder notorisch gelangweilte Leute in Hochstimmung versetzen. Die dir vor allem eines unterstellen: dass du sie über den Tisch ziehen willst. Was ja auch stimmt. Aber was willst du machen? Begeisterte Mitarbeiter, begeisterte Kunden, erst dann ist die wundersame kleine Welt deines Chefs wirklich in Ordnung.